Johannes-Passion 1776 BR‑CPEB Dp 9; H 789; Wq deest; HoWV I.4 GND

sonst. Verzeichnisse
NV 1790, S. 60 [1];
AK 1805;
Kat. Zelter 1832, C I 319 / 918
Gattung
Passion
Bestimmung
Passionszeit
Besetzung
S*, A*, T*, B*, S, A, T, B; 2 Cr, 2 Fl trav, 2 Ob, 2 Fag, 2 Vl, Va, Bc
Eintrag im gedruckten WerkverzeichnisPDF Noten

Entstehungszeit, Werkgeschichte
1775/1776 (laut Nachlass-Verzeichnis 1790)
die Johannes-Passion nimmt in mancherlei Hinsicht eine Sonderstellung innerhalb der Passionspasticci C. P. E. Bachs ein: Sie ist die einzige Passion, deren Passionsbericht auf zwei verschiedenen Vorlagen beruht, und C. P. E. Bach hat den dieser Passion im Wesentlichen zugrunde liegenden Passionsbericht nur ein einziges Mal verwendet.
Nachdem C. P. E. Bach für die zweiten Passionen nach Matthäus (1773, BR-CPEB Dp 4.2) bzw. Markus (1774, BR-CPEB Dp 5.2) jeweils dieselbe Grundlage wie für die ersten (1769, BR-CPEB Dp 4.1 bzw. 1770, Df 5.1) verwendet hatte, begann er 1775 die Vorlage zu wechseln. Bei den Lukas-Passionen etablierte sich ein Wechsel zwischen dem Passionsbericht nach Telemann (1771, 1779 und 1787, BR-CPEB Dp 6.1–3) und Homilius (1775, BR-CPEB Df 8.1 und 1783, Dp 8.2). Offensichtlich strebte C. P. E. Bach einen solchen Wechsel auch für die Johannes-Passionen an, indem er sich nach der Aufführung mit dem Passionsbericht Telemanns (1772, BR-CPEB Dp 7.1) 1776 auf die Vorlage von Homilius stützte. Dabei bekam C. P. E. Bach jedoch offenbar Probleme, die maximale Hamburger Aufführungszeit nicht zu überschreiten, denn anders als bei den Passionen nach Markus und Lukas konnte er hier den Passionsbericht nicht wesentlich kürzen, wollte er nicht von dem schon von Telemann vertonten Abschnitt der Passionsgeschichte abweichen. Um Zeit einzusparen, tauschte C. P. E. Bach in der Mitte der Passion einen Block des Passionsberichtes von Homilius gegen den schon 1772 verwendeten Telemanns aus (Satz 14–16); durch die viel knapperen Turbae Telemanns nimmt dieser Teil hier nur gut die Hälfte der Takte gegenüber Homilius ein. Um die Kürzungen effektiv genug zu machen, wurden auch noch die Unterbrechungen stark reduziert. 1772 wurde dieser Teil durch drei Arien und einen Choral unterbrochen; 1776 blieb nur der Choral als Unterbrechung übrig (auch Homilius hatte sieben Unterbrechungen des Passionsberichtes in diesem Teil vorgesehen). Am Ende kürzte C. P. E. Bach nochmals zwölf Verse des Bibeltextes, womit die Passion von 1776 als einzige Johannes-Passion auf den Bericht von der Grablegung verzichtete.
Durch die Maßnahmen konnte C. P. E. Bach zwar die nötige Zeit einsparen, er scheint diese Eingriffe aber als unbefriedigend empfunden zu haben, jedenfalls griff er auf dieses Modell nicht noch einmal zurück.
Außer dem erwähnten Teil inmitten der Passion stammen auch der Anfangs- und Schlusschoral von Telemann (bei Homilius war ein viel längerer Schlusschor vorgesehen). Auch der Telemann-Teil in der Mitte wird von zwei Chorälen eingeschlossen, die nicht aus der Passion von Homilius stammen; der eine ist aus der Passion Telemanns (Satz 17), die Herkunft des anderen ist nicht bekannt (Satz 13).
Die Aufführungen fanden nach einem lange etablierten Rhythmus in Hamburg statt und wurden in den Hamburger „Schreib-Calendern“ angekündigt. Für 1776 ist ein „Schreib-Calender“ erhalten geblieben, sodass die Aufführungsdaten der Passionssonntage überliefert sind. Weitere Aufführungen an Werktagen können ferner in den Nebenkirchen angenommen werden.
Historische Aufführungen
, Hamburg, St. Petri (Link zum Ereignis)
, Hamburg, St. Nicolai (Link zum Ereignis)
, Hamburg, St. Katharinen (Link zum Ereignis)
, Hamburg, St. Jacobi (Link zum Ereignis)
, Hamburg, St. Michaelis (Link zum Ereignis)
Werkrelation:
ist Arrangement von BR-CPEB Dp 7.1 / H 785 / Wq deest
Bemerkungen
Das Werk ist eine bearbeitete Fassung der Johannes-Passion von G. A. Homilius (HoWV I.4), mit Sätzen von G. P. Telemann:
1. Satz 1, 7, 14–16, 26: G. P. Telemann, Johannes-Passion 1745, TVWV 5:30 (TA 29) (→ BR-CPEB Dp 7.1)
2. Satz 2–6, 8–12, 18–25: G. A. Homilius, Johannes-Passion HoWV I.4.

Text des Vokalwerks
1. Passionsbericht
Satz 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 22 und 24: Jh 18,1–19.30

2. Choräle
Satz 1, 26: P. Gerhardt, „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld“ (HG 1766, Nr. 113), Strophe 1 u. 5;
Satz 3: M. Luther, „Mitten wir im Leben sind“ (HG 1766, Nr. 562), Strophe 1;
Satz 7: J. Heermann, „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen“ (HG 1766, Nr. 114), Strophe 8;
Satz 13: C. F. Gellert, „Nicht, dass ich‘s schon ergriffen hätte“ (HG 1766 deest, → BR-CPEB H 1/54), Strophe 12 („Geistliche Oden und Lieder von C. F. Gellert“, Leipzig 1757, „Die Wachsamkeit“, S. 19–21);
Satz 15: P. Gerhardt, „O Haupt voll Blut und Wunden“ (HG 1766, Nr. 129), Strophe 1;
Satz 17: C. F. Gellert, „Erforsche mich, erfahr mein Herz“ (HG 1766 deest, → BR-CPEB H 1/14), Strophe 4 („Geistliche Oden und Lieder von C. F. Gellert“, Leipzig 1757, Passionslied, S. 44–48);
Satz 23: D. Denicke, „Kommt, und lasst euch Jesum lehren“ (HG 1766 deest), Strophe 6

3. Übrige Sätze
Satz 5, 9, 11, 19, 21 und 25: unbekannt.
Link zum Text

Originalquellen
D-Bsa SA 19, Faszikel 1 [Partitur]
D-Bsa SA 19, Faszikel 2 [Stimme/Stimmen]

Edition
Literatur
Miesner 1929, S. 66
Clark 1984, S. 110
Enßlin/Rimek 2010
Wolf 2010a, S. 413–416
Enßlin 2011, S. 61
HAW 1:3, Vorwort sowie KB, passim

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08.12.2021 - 21:08:17