St Luke Passion 1771 BR‑CPEB Dp 6.1; H 784; Wq deest GND

Other catalogues
NV 1790, S. 59 [4];
AK 1805 Nr. 44;
Kat. Zelter 1832, C I 315 / 922
Genre
Passion
Designation of a cantata
Lent
Scoring
S*, A*, T*, B*, S, A, T, B; 2 Cr, 2 Fl trav, 2 Ob, 2 Fag, 2 Vl, Va, Vc, Bc
Entry from the printed cataloguePDF Score

Date of origin, Work history
1770/71 (laut Nachlass-Verzeichnis 1790)
der biblische Teil der Passion basiert auf einer Lukas-Passion von G. P. Telemann, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach auf einer der verschollenen Lukas-Passionen von 1752 oder 1756; als Referenzwerk haben wir die erhaltene Passion von 1760 (TVWV 5:45) angegeben. Diese steht BR-CPEB Dp 6.1 zumindest näher als die ebenfalls erhaltene und der vorliegenden Version in vielem verwandte Lukas-Passion von 1764 (TVWV 5:49). Aus der verschollenen Telemannschen Passion stammen möglicherweise auch alle Choräle; mit der Passion von 1760 stimmen aber nur die Sätze 13, 15, 17 und 24 überein (die Vokalstimmen bei Telemann allerdings in Vierteln statt Halben notiert).
Die Vorlagen zur Lukas-Passion (und wohl auch zur Johannes-Passion) hatte C. P. E. Bach offenbar von Telemanns Enkel G. M. Telemann erhalten. Bekanntermaßen war das Verhältnis zwischen beiden zunächst sehr gut und der jüngere Telemann lieh C. P. E. Bach im großen Stil Musikalien aus dem Nachlass seines Großvaters. Doch kam es im Januar 1771 zum Bruch. Als Reaktion darauf kündigte C. P. E. Bach an, alle ausgeliehenen Musikalien, darunter „Passionen“, bis Ostern 1771 zurückzugeben; ein früherer Termin war kaum möglich, denn in dieser Passionszeit 1771 sollte die Lukas-Passion mit dem Telemannschen Evangelienbericht erklingen. Zu den Aufführungsmaterialien der Lukas-Passion gehört denn auch eine besondere Direktionsstimme: Sie enthält den Continuo-Part des ganzen Pasticcios, darüber hinaus alle Rezitative und Volkschöre, notiert in Partitur mit vollem Text. Für weitere Verwendungen dieser Teile musste dann nicht mehr auf Telemannsches Material zurückgegriffen werden.
Der Streit mit G. M. Telemann könnte auch eine Erklärung für die Splittung und (teilweise?) Umbesetzung der zweiten Partie des Evangelisten ab Satz 8 bieten (s.u.). Der junge Telemann hatte bei den Aufführungen C. P. E. Bachs als Altist geholfen und fiel nun aus, so dass gerade zur Passionszeit 1771 ein neuer Altist angestellt werden musste; dieser war wohl mit einer Evangelistenpartie noch überfordert. Während nämlich bei Telemann wie bei den späteren Aufführungen C. P. E. Bachs 1779 (BR-CPEB Dp 6.2) und 1787 (BR-CPEB Dp 6.3) die Partie zwischen Bass (Anfang) und Alt (ab Satz 8) aufgeteilt ist, wurde diese 1771 zumindest ab Satz 14c statt vom Alt von einem Sopran vorgetragen. Die Partie des Evangelisten blieb trotz der Umbesetzung weitgehend unverändert; geringfügige Anpassungen an den Ambitus der Singstimme wurden nur in den Sätzen 18a, 18c, 20e und 22 vorgenommen.
Unklar ist allerdings, wer den Evangelisten in den Sätzen 8, 10, 12, und 14a zu singen hatte; denkbar wäre der Alt oder (wahrscheinlicher) der 2. Sopran; beide Stimmen aber sind verloren, und die Partitur gibt darüber keine Auskunft, da sowohl Sopran als auch Alt – wie in Hamburg üblich – im Sopranschlüssel notiert sind. Ab Satz 14c steht die Partie des Evangelisten in der erhaltenen Sopranstimme.
Wie auch bei den Johannes-Passionen nach Telemann sind nur die Rezitative, Turbae und Choräle aus der Telemannschen Passion entnommen, alle textlich freien Bestandteile hingegen ausgetauscht. In der Passion von 1771 entlehnte C. P. E. Bach Sätze aus einer Kantate Bendas (Satz 1–2), aus der Markus-Passion von G. A. Homilius (Satz 21 und 23) und vor allem aus einer Passion G. H. Stölzels („Sechs Geistliche Betrachtungen des leidenden und sterbenden Jesu“: Satz 5, 7, 11 und 19).
Die Aufführungen an den Passionssonntagen fanden nach einem lange etablierten Rhythmus in den Hauptkirchen Hamburgs statt. Weitere Aufführungen an Werktagen können ferner in den Nebenkirchen angenommen werden.
Early performances
, Hamburg, St. Petri (Link to event)
, Hamburg, St. Nicolai (Link to event)
, Hamburg, St. Katharinen (Link to event)
, Hamburg, St. Jacobi (Link to event)
, Hamburg, St. Michaelis (Link to event)
relation from other works:
has revision BR-CPEB Dp 6.2
has revision BR-CPEB Dp 6.3
Comment
Pasticcio mit Kompositionen von G. A. Benda, G. A. Homilius und G. H. Stölzel, basierend auf einer Lukas-Passion von G. P. Telemann.
Entlehnungen:
1. Satz 1–2: G. A. Benda, Kantate „Nun ist er da“ zum Sonntag Palmarum, (Lor 540, dort Satz 1 und 5)
2. Satz 3: Ähnlich G. P. Telemann, „Fast allgemeines Musicalisches Lieder-Buch für Sopran solo und Basso continuo“, 1730 (TVWV 10:1, Nr. 37)
3. Satz 4, 6, 8, 10, 12–18, 20, 22 und 24: G. P. Telemann, unbekannte Lukas-Passion
4. Satz 5, 7, 11 und 19: G. H. Stölzel, „Sechs Geistliche Betrachtungen des leidenden und sterbenden Jesu“ (dort I. Betrachtung, Satz 5, III. Betrachtung, Satz 3 und 5 sowie V. Betrachtung, Satz 3)
5. Satz 21 und 23: G. A. Homilius, Markus-Passion HoWV I.10 (dort die Sätze 9 und 48).

Den originalen Aufführungsstimmen zufolge wurden die Singstimmen 1771 von folgenden Sängern übernommen: Lüders (Vornamen unbekannt, Sopran), Johann David Holland (Sopran, Duett Nr. 5), Johann Heinrich Michel (Tenor), Carl Rudolph Wreden (Tenor), Friedrich Martin Illert (Bass), Johann Andreas Hoffmann (Bass). Die Stimmen für Sopran II und Alt sind verloren.

Libretto
Balthasar Münter (1735–1793); BR-CPEB Dp 6.1, Satz 1,2; Gottfried Heinrich Stölzel? (1690–1749); BR-CPEB Dp 6.1, Satz 5,7,11,19

1. Passionsbericht
Satz 4, 6, 8, 10, 12, 14, 18, 20 und 22: Lk 22,39 bis 23,46
2. Choräle
Satz 3: M. Luther, „O Lamm Gottes unschuldig“, Strophe 1;
Satz 9: P. Gerhardt, „O Welt, sieh hier dein Leben“, Strophe 14;
Satz 13: E. C. Homburg, „Jesu, meines Lebens Leben“, Strophe 3;
Satz 15, 17: J. Heermann, „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen“, Strophe 5 u. 13;
Satz 24: H. Bonn, „Ach, wir armen Sünder“, Strophe 6
3. Übrige Sätze
Satz 1–2: Balthasar Münter (1735–1793) 1760/61, Zweites Stück, Kantate „Nun ist er da“ zum Sonntag Palmarum, Satz 1 (S. 16) u. 5 (18f.);
Satz 5, 7, 11, 19, 21, 23: unbekannt (Satz 5, 7, 11 und 19 möglicherweise gedichtet von Gottfried Heinrich Stölzel (1690–1749)).
Link to lyrics

Original sources
D-B Mus.ms. 1335, Faszikel 9 [Score]
D-Bsa SA 23 [Part(s)]

Edition
Literature
Miesner 1929, S. 66
Clark 1984, S. 107
Wolf 2006, S. 220
Enßlin/Rimek 2010
Wolf 2010a, S. 413, 417–422
Enßlin 2011, S. 61

persistent ID
BachDigitalWork_work_00001819
Static URL
https://www.bach-digital.de/receive/BachDigitalWork_work_00001819
Export format
[PDF] [XML] [MEI] [JSON-LD]
Last changed
2021-12-02 : 03:20:44