Leonhard Scholz (1720 - 1798). Organist,
Papier- und Spezereienhändler in Nürnberg
Portrait
"Scholz, Leonhard, Handelsmann und
Organist bey St. Sebald, gebohren 1720, den 27. May in Nürnberg; sein Vater,
Georg, war daselbst Holz= Bein= Horn= Metall= und Silberdrechsler. Er wurde in
allen nöthigen Wißenschaften, besonders aber in der Musick, wozu er von Jugend
auf große Neigung hatte, unterwiesen. 1735 kam er zu Hrn. Joh. Matth. Meusel
allhier in die Lehre, die Handlung zu erlernen, allwo er biß im April 1746
gestanden. Noch im September desselben Jahres verheirathete er sich mit Jgfr.
Barbara , Hrn. Matthias Popp, Weinhändlers, Tochter, zeugte mit ihr 8. Kinder,
von denen aber nur das älteste und das jüngste ihn überlebten. Er fing nun eine
Spezerei= und Papierhandlung an, erhielt dabei 1766. das Vicariat der Organisten
Stelle bey St. Egidien; 1771 wurde er aber wirklicher Organist daselbst; 1775
kam er als Organist an die Lorenzer= und 1781. an die Sebalder Kirche. Von 1791
wurde er unvermöglich, und sein Sohn führte sowol die Handlung fort, und versahe
auch dessen Organisten Dienst biß zu seinem 1798. den 17. Oct. erfolgten Tod."
(Riedner, S. 248f.)
Scholz
legte - ob nur für den eigenen Gebrauch als Organist oder auch für
Handlungszwecke - eine Notensammlung für Tasteninstrumente an, darunter
hauptsächlich mit Werken von J. S. Bach und C. Ph. E. Bach. Die Abschriften mit
Werken J. S. Bachs weichen teilweise massiv von den für authentisch befundenen
Fassungen ab. Es darf vermutet werden - und läßt sich in Einzelfällen anhand
einer Bestandsaufnahme der Scholz zur Verfügung stehenden Nürnberger
Kirchenorgeln durchaus belegen -, daß Scholz einige dieser Sonderfassungen
speziell für Nürnberger Instrumente hergestellt hat.
Woher
Scholz seine Vorlagen hatte, ist nicht bekannt. In Frage kommen Verbindungen
über seinen Lehrer Lorenz Sichart, dessen Lehrer Wilhelm Hyroniemus Pachelbel
wiederum ein Jugendfreund Johann Gottfried Walthers war. Andererseits bestanden
über die Verleger Christoph Weigel und Balthasar Schmidt direkte (?)
Verbindungen J. S. Bachs zu Nürnberg (über Verbindungen L. Scholz' zu diesen
Verlegern ist nichts bekannt). Es muß aber keineswegs angenommen werden, daß
Scholz nur aus einer einzigen Quelle schöpfte.
Nach seinem Tod erbte der Sohn
Caspar Gottlieb neben der Papierhandlung auch die Noten und eine größere
Sammlung von vornehmlich Tasteninstrumenten: "(...) Den Rest dieses
Losungs=Amtlichen Kapitals, nemlich 331 fl: 15 x sammt meiner Wohnbehausung in
der Schustergaß, Papier=Lager, Waag und Gewicht, den großen Mörßner, die
ausstehenden Papier=Schulden und Baarschaft der Handlungs=Kassa; dann meine
Schlaguhr sammt den schon bei sich führenden beeden Sakuhren; - alle meine
Bücher und Kupferstiche nebst den Behältern und Repositorien worinn inne stehen
und liegen; ferner meine vorhandenen fortepianos, Clavecins, Geigenwerk und
andern musikalische Instrumenten, wie ingleichen sämmtliche Musikalien, alle
Gemälde, Rahmwerk, Spiegel und was an den Wänden meiner drei Stuben und Kammern
von mir angemacht ist; das Vogel=Wasserwerk und das Wasserwerk im Thurm; -
verschaffe und assignire ich IV meinem Sohn Caspar Gottlieb Scholz, der zur
Zeit noch gar nichts von mir empfangen hat, statt seines väterlichen Erbteils
zusammen um und für die von mir ausdrücklich bestimmte Schätzungs=Summa von 3000
fl.; ohne dasienige, was ihm durch eine von mir cedirte und ausgehändigte
Leihhaus=Amtliche Obligation à 150 fl: und 10 X: baar zu empfangende Daraufgabe,
für sein erspartes - von mir zu Handen genommenes Schatzgeld und
Diskantisten=Einnahm mit 160 fl. zugehörig; - auch ohne besondere Aufrechnung
meines Diamant=Rings, welchen ich ihm bereits laut eingehändigtem
Schenkungsbriefs, den ich hiermit nochmals bestättige, für seine zehnjährige -
mir getreue u. ohnentgeltlich geleistete Handlungsdienste und für das
vierjährige Vikariat der Sebalder Organistenstelle, zum Eigenthum übergeben
habe. (...)" (aus dem Testament des L. Scholz vom 5.12.1796, f. 4r)
Wohin die
Musikalien nach dem Tod von Caspar Gottlieb Scholz gingen, ist ungewiß. Aus
einem Brief von Johann Nepomuk Forkel an Verleger Hoffmeister & Kühnel über
Besitzer von Bach-Handschriften geht hervor, daß Forkel im Jahre 1801 auf einer
Reise in Nürnberg "einen so elenden, schlecht gewählten u. conditionirten Schatz
(...) bey Winterschmidt in Nürnberg gesehen" habe. (Stauffer, S. 10)
Aufgrund
von Schriftvergleichen liegt es nahe anzunehmen, daß Carl Wilhelm
Ferdinand Guhr (1787-1848), zwischen 1808 und 1812 Kapellmeister in
Nürnberg, zu den nächsten Besitzern gehörte. Von ihm stammen etliche
nachträgliche Titel in der Scholz-Sammlung.
Weitere Besitzer scheinenen die
Stuttgarter Klavierbauerfamilie Klickerfuß (Apollo K. und seine Frau, die
Pianistin Johann Schulz), sowie deren Nachfahren gewesen zu sein. Vielleicht
handelte es sich bei folgenden, von der Tochter Johanna Klinckerfuß erwähnten
Abschriften um die Sammlung Scholz: "Meine Eltern, die eine alte Truhe mit
vielen zu Johann Sebastian Bachs Lebzeiten gemachten Abschriften besaßen,
erzählten, wie Brahms sich stundenlang in unsererm "Altertumszimmer"
eingeschlossen habe, um ungestört Bachs Verzierungen zu studieren." (M.
Klinckerfuß, Aufklänge aus versunkener Zeit, S. 9)
Das
Johann-Sebastian-Bach-Institut in Göttingen besitzt seit 1968 den Großteil der
Sammlung. Einen weiteren Teil hat Ende 2003 das Bach-Archiv Leipzig aus
Privatbesitz erworben. Verstreute Quellen der Scholz-Sammlung befinden sich in
der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien (aus Besitz des Komponisten
Felix Petyrek), in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart und (aus
Besitz J. Chr. H. Rinck) in New Haven (Library of the School of Music).
Quellen:
Testament L. Scholz, Staatsarchiv Nürnberg: Reichsstadt
Nürnberg, Verlassenschaften und Testamente Nr. 1020
Adam Nicolaus Riedner,
Art. L. Scholz, in: Kurze Biographien merkwürdiger Personen, welche seit 1700
in Nürnberg gelebt haben und noch leben", Bd. 2, S. 248f. (nur
handschriftlich überliefert im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Sign. Hs.
88184).
Margarethe Klinckerfuß: Aufklänge aus versunkener Zeit, Urach
1948.
Hermann Harrassowitz: Geschichte der Kirchenmusik an St. Lorenz in
Nürnberg (erweiterter Sonderdruck aus: Mitteilungen des Vereins für
Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 60, Nürnberg 1973), Nürnberg
21987, S. 113-115.
George B. Stauffer (Hg.): The Forkel -
Hoffmeister & Kühnel Correspondence. A Document of the early 19th-century
Bach revival, New York 1990.
Christine Blanken: "Orgelwerke der "Sammlung
Scholz" in ihrer Beziehung zu Nürnberger Instrumenten", in: Vom Klang der
Zeit. Besetzung, Bearbeitung und Aufführungspraxis bei Johann Sebastian Bach
(Festschrift Klaus Hofmann), hg. von Ulrich Bartels und Uwe Wolf, Wiesbaden
2004, S. 44-68.