Fortunato Santini (1778 - 1861), Theologe,
Komponist und Musiksammler
Fortunato Santini wurde am 5. Januar 1778 in Rom geboren, wo er nach dem Tod
seines Vaters in einem Waisenhaus aufwuchs. Schon dort erhielt er seinen ersten
Musikunterricht bei dem Komponisten G. Jannaconi, später nahm er zusätzlich
Orgelunterricht bei G. Giudi. Im Jahre 1798 nahm Santini ein Philosophie- und
Thelogiestudium in Rom auf und wurde drei Jahre später, im Mai 1801, zum
Priester geweiht.
Um diese Zeit begann er auch, angeregt durch seinen
Unterricht bei Jannaconi, Werke von Meistern der sog. Römischen Schule zu
kopieren oder zu spartieren, um sich deren Kompositionsstil anzueignen. Diese
Kopien bildeten den Grundstock einer Musiksammlung, die durch Santinis Eifer
beim Suchen und Kopieren wichtiger Werke stetig anwuchs. Bald erhielt er auch
von Kirchenmusikern Aufträge, bestimmte Werke für sie zu kopieren. Um diese
Aufträge zu erfüllen, machte er die Originalquellen in den verschiedenen
kirchlichen und klösterlichen Archiven und bei römischen Privatbesitzern
ausfindig, um die Werke aus diesen kopieren zu können. Auf diese Weise war seine
Sammlung bald so angewachsen, daß es ratsam erschien, einen gedruckten Katalog
der Werke zu veröffentlichen, *der die Sammlung
über die Grenzen von Rom hinaus bekannt machte. Dadurch kam es in den folgenden
Jahren zu einem Austausch mit führenden Musiksammlern, Musikgelehrten und
Musikern, darunter K. Proske, R. G. Kiesewetter, C. von Winterfeld, C. F. Zelter
und F. Mendelssohn Bartholdy.
Bei der Anlage der Sammlung scheint Santini
geholfen zu haben, daß die Eigentümer alter Manuskripte diesen oftmals keine
besondere Bedeutung beimaßen. Außerdem wurden zur Zeit der französischen
Besatzung Italiens viele klösterliche Bibliotheken aufgelöst, so daß es
verhältnismäßig einfach war, die gesuchten Manuskripte auch zu erwerben.
Finanzielle Unterstützung erhielt Santini dabei wahrscheinlich von Kardinal
Carlo Odescalchi, in dessen Palast er wohnte und auf dessen Vorschlag er auch
zum Ehrenmitglied der Congregatione ed Accademia di S. Cecilia (1835) ernannt
wurde. In den folgenden Jahren wurde er außerdem Ehrenmitglied der Berliner
Sing-Akademie (1837) und des Mozarteums in Salzburg (um 1845) sowie
korrespondierendes Mitglied des Pariser Comité
historique des arts et monuments du Ministére de l'instruction publique
français (1840).
Als Kardinal
Odescalchi Mitglied der Jesuiten wurde, zog Santini mitsamt seiner Bibliothek in
ein Gebäude in der Nähe der deutschen Landeskirche, wo er auch musikalische
Soireen veranstaltete, auf denen Werke aus seiner Sammlung gespielt wurden.
Dabei setzte er sich v.a. für die Wiederbelebung älterer geistlicher Werke ein;
so bearbeitete und übersetzte er u.a. Werke Bachs, Händels und Grauns ins
Lateinische oder Italienische, um seinen Landsleuten einen erleichterten Zugang
zu diesen Werken zu verschaffen.
In den 1830er/1840er Jahren scheint sich
Santinis finanzielle Situation - wohl auch aufgrund der mangelnden finanziellen
Unterstützung seitens des Kardinals - zunehmend verschlechtert zu haben, so daß
er sich doch noch mit dem Gedanken anfreunden mußte, seine Bibliothek zu
verkaufen. Schon früher (zu Beginn der 1830er Jahre) hatte er Angebote von
namhaften Bibliotheken im In- und Ausland (u.a. aus Berlin, Paris, Brüssel und
St. Petersburg) erhalten, konnte sich aber nicht entschließen, die inzwischen
ca. 4500 Handschriften und ca. 1200 Drucke umfassende Sammlung zu verkaufen.
Erst im Jahr 1855 nahm er ein Angebot des Domvikars Bernhard Quante an, seine
Sammlung gegen eine Jahresrente von 465 Scudi an das Bistum Münster zu
verkaufen. Sie verblieb allerdings - wie von Santini gewünscht - noch bis zu
seinem Tod am 14. September 1861 in Rom und kam erst im Jahre 1862 nach Münster,
wo sie heute in der Diözesanbibliothek aufbewahrt wird.
* F. Santini: Catalogo della musica esistente presso Fortunato
Santini in Roma. Nel Palazzo de'Principi Odescalchi incontro la Chiesa de'
SS.XII. Apostoli, Rom 1820
Quellen:
Joseph Killing, Kirchenmusikalische Schätze der
Bibliothek des Abbate Fortunato Santini, Düsseldorf 1910
Karl Gustav
Fellerer, Die musikalischen Schätze der Santinischen Sammlung. Führer durch
die Ausstellung der Universitätsbibliothek Münster anlässlich des III.
Westfälischen Musikfestes in Münster i. Westf. vom 15. bis 17. Juni 1929,
Münster 1929
Karl Gustav Fellerer,
"Bachs Johannes-Passion in der lateinischen Fassung Fortunato Santinis", in:
Festschrift Max Schneider, hrsg. von Walther Vetter, Leipzig 1955, S.
139-145
Rudolf Ewerhart, Artikel "Santini", in: Die Musik in Geschichte
und Gegenwart, Band 11, Kassel, Basel, London, New York 1963, Sp.
1381-1383
Hans Joachim Marx, "The Santini Collection", in: Handel
Collections and their History, Oxford 1993, S. 184-197
Klaus Kindler,
"Die Musiksammlung Fortunato Santinis in der Diözesanbibliothek zu Münster", in:
Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Katholisch-Theologischer
Bibliotheken 45, Trier 1998, S. 137-145
Andrea Ammendola, Artikel
"Santini, Fortunato", in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. Aufl.,
Personenteil 14, Kassel 2005, Sp. 942-944